Sabrina Esch

WIE GEHT´S, WIE STEHT´S?!

Treffpunkt Villa Knöterich in Rheindorf. Der Regen macht Pause und die Sonne scheint durch die Wolken. Sabrina Esch kommt in großen Schritten auf den Deich an der Wupper gelaufen. Sie nimmt die Knöpfe aus dem Ohr, es läuft „Time after time“. Sabrina Esch stoppt die Musik, wir sind verabredet und sie möchte mir ihren Lieblingsplatz am Rhein zeigen. Wir laufen durch das dichte Grün in Richtung Wuppermündung und plaudern über das, was uns hier so an Natur begegnet. An einem Schmetterling, der unseren Weg kreuzt hat sie besonders große Freude. „Stopp, hier ist er, mein Lieblingsort.“ Sabrina Esch breitet die Arme aus und zeigt auf die St. Amandus Kirche. „Auf dieser Höhe mache ich erst einmal Halt und genieße den schönen Ausblick.“ Die kleine romanische Kirche in Kölner Außenrandbezirk Rheinkassel ist wirklich eine Augenweide und übrigens eine verkleinerte Kopie der Kölner Stiftskirche St. Gereon. „Ich habe es aber noch nie geschafft, dorthin zu fahren.“ Esch lächelt. „Ich habe hier auf dieser Rheinseite einfach zu viel zu tun.“

Wir setzen uns und blicken auf den Rhein. Die alleinerziehende Mutter geht oft hier mit ihren beiden Kindern im Vorschulalter spazieren. Meist ist auch der Hund dabei. Ein Shepherd Collie. „Letztes Jahr in der Mutter-Kind-Kur in Großenbrode an der Grenze zu Fehmarn haben wir festgestellt, wie cool Urlaub an der Ostsee sein kann. Zuhause genießen wir fast jeden Tag die Nähe zur Natur und zum Wasser und machen hier gemeinsam ganz viele tolle Sachen.“ Die Kinder hätten den Vorteil zu anderen Großstadtkindern, in Rheindorf sehr naturverbunden aufzuwachsen. „In acht Minuten sind wir zu Fuß am Fluss.“ Die Tochter liebe ihre Forschergläser und stürze sich momentan auf das Thema Schnecken. „Die sind bei uns zuhause momentan in unser Terrarium eingezogen.“ Die Schwester lasse ihren kleineren Bruder auch an ihrem Forscherdrang teilhaben. „Ich selbst erkenne ja gerade einen Zitronenfalter, aber meine Kinder sind richtige kleine Schmetterlingsexperten geworden.“ Überhaupt sei dieser Platz am Rhein und der Weg hierhin ein kleines Paradies. „Ich verstecke hier manchmal rechts und links des Weges Süßigkeiten, in Astlöchern oder Erdhöhlen. Geo-Caching für Kinder. Quasi Ostern das ganze Jahr über. Von daher hat dieser Ort alles in allem einen ganz besonderen Charme. Und hier kann ich sogar joggen und die Kleinen können gefahrlos Fahrradfahren.“

Ein dicker Rheindampfer tuckert gerade in Richtung Norden vorbei. Sabrina Esch schaut dem Pott hinterher und erzählt, dass sie vor Corona täglich nach Neuss gefahren sei. Sie arbeite im Schadensbereich einer Versicherung. Mittlerweile erledige sie die meiste Arbeit jedoch im Home Office. „Ich bin im Bereich Haftpflichtschäden zuhause. Auch wenn sich das kaum jemand vorstellen kann. Das ist meine Erfüllung. Ich streite mich gerne mit Menschen um Geld und das möchte ich auch bis zur Rente machen. Das ist das, was mir Spaß bringt. Ich war mal zwischendurch Vorstands-Assistentin in einem anderen Unternehmen, das war ganz schrecklich und es ging mir ganz furchtbar. Schadensabwicklung bei einer Versicherung, das ist genau das, was ich bis zur Rente machen möchte.“ Sabrina Esch gestikuliert, sie redet sehr schnell und erhebt immer wieder die Stimme. Es gehe bei ihrer Arbeit eigentlich immer nur ums Geld. „Es geht letztendlich um Recht haben, Recht bekommen.“ Hund beißt Mann. Handwerker bringt das, was er reparieren soll, zum Einsturz. Unbeaufsichtigtes Kind zündelt. Die Haftpflichtfälle seien so unterschiedlich, dass Arbeitstage nie gleich sind. Die Fälle seien aber oft auch abstrus. Sie bekomme Forderungen auf den Tisch, da wollen die Geschädigten 3.000 Euro, weil sie einen Riss in der Hose haben. „Was ich daran so liebe? Das ist für viele schwer zu verstehen. Die fragen mich immer wieder, warum tust du dir den Stress an. Ich mag das aber. Was Gesetze angeht, bin ich eine absolute Pedantin. Und letztlich muss man immer im Leben Kompromisse finden. Meine Meinung.“

Sabrina Esch verstummt erst einmal und schaut wieder ganz entspannt auf das Wasser. Sie kommt gerade wieder hier am Rhein an und erzählt von ihrer zweiten beruflichen Leidenschaft. Sie habe vor zwei Jahren, wohl als Ausgleich zu Schadensfällen und ihren Mutterpflichten, das Thema Yoga entdeckt. Ohne berufliche Hintergedanken folgte dann eine Ausbildung zu Vinyasa-Yoga-Lehrerin. „Dann ging alles ganz schnell. Voller Begeisterung habe ich meinen Freundinnen von dieser Art Power-Yoga erzählt und schwupps, schon haben wir hier am Rhein in der Gruppe Yoga-Übungen gemacht. Dazu muss ich sagen, ich bin keine Dinkel-Dörte und Entspannung heißt für mich nicht Schneidersitz und Augen zu. Die Übungen folgen alle einem Flow. Besonders wichtig ist das Atmen, das ist sowieso das A und O. Das kam so gut an, dass ich gemerkt habe, da liegt mehr drin. Und jetzt gebe ich regelmäßig Yoga-Kurse bei der AWO in Opladen.“

So agil und umtriebig wie die alleinerziehende Mutter mit zwei Berufen und zwei kleinen Kindern ist, stellt sich die Frage, ob Rheindorf, Idyll hin, Idyll her, wirklich der richtige Ort zum Leben sei. „Ich war in New York, ich war in Tokyo und habe auch sonst schon eine ganze Menge von der Welt gesehen. Meine Kinder und ich sind hier gut aufgehoben, vor allem auch weil die beiden Kleinen ihren Vater ganz in der Nähe haben. Und Leverkusen hat alles, was wir momentan brauchen.“

Wir gehen zurück in Richtung Villa Knöterich und stehen auf dem Deich. Sabrina Esch gerät ins Schwärmen. Die ehemalige Gaststätte rege tagtäglich ihre Fantasie an. Der herrliche Garten eigne sich wohl hervorragend für Outdoor-Yoga, im Haus sei sicherlich Platz ein Home Office und Seminarräume und eine Freundin wolle schon lange ein Café eröffnen. Mal schauen, was die Zukunft so bringt, sagt sie verschmitzt.

Sabrina Esch verabschiedet sich. Bevor sie sich die Knöpfe wieder in die Ohren steckt, zeigt sie mir eine „Time after time“-Playlist auf ihrem Smartphone. Eineinhalb Stunden. Das Original und unzählige Coverversionen. Musik und im Speziellen dieser Song sei ihr Lebenselixier. Singt Cindy Lauper nicht davon, dass es im Leben vor allem darum geht, sich selbst treu zu bleiben und mit anderen immer wieder Kompromisse zu finden?

So viel steht an diesem Mittwochmorgen fest. Diese Frau strahlt eine unwahrscheinliche Power und Entschlossenheit aus, ist im Flow und vertraut dabei auch noch dem Glaubenssatz: „Go slow“.

Herzlichen Dank, Sabrina Esch. Vielen Dank für Ihre Zeit.

Text & Foto © Hendrik Neubauer / Lust auf Leverkusen.

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