PINGUIN MOSCHNER

PINGUIN MOSCHNER

WIE GEHT´S, WIE STEHT´S?!

„Wenn ich Tuba spiele, halte ich oft die Augen geschlossen. Ich bin dann ganz bei mir und dem Jazz.“ Pinguin Moschner ist tatsächlich ein weltbekannter Freejazz-Musiker. Wir sitzen uns beide mit offenen Augen gegenüber an einem Ecktisch im Waldhaus Römer. Hier macht der Musiker öfters Station, wenn er in der Freizeit seine geliebte Wupperrunde dreht. „Ich bin 2019 nach Opladen gezogen. Nach anderthalb Jahren Wohnungssuche in Köln bin hier in der Neustadt endlich fündig geworden.“ Raus aus der Metropole, raus aus der Familie. Die Liaison mit seinem Lieblingsinstrument und die Liebe zum Jazz habe bisher sehr viel überdauert. Er zuckt mit den Achseln, als wolle er sagen: Improvisation hilft immer.

Als Teenie in den 1960er-Jahren in Bielefeld fand Moschner die Beatles toll und wollte auf die Bühne. In seinem Zuhause hatten die Eltern ihn aber darauf nicht vorbereitet, Musikunterricht, das war nur was für die Großkopferten. Also wurde Moschner von seinen Kumpels an den Bass delegiert und kaufte sich einen Höfner Bass, so einen wie der Pilzkopf Paul .“ Ihn beneidete ich auch um seinen Vornamen. Ich bin ein sogenanntes Bindestrichopfer.“ Wie bitte? „Ja, meine beiden Vornamen sind das Grauen. Eines Abends war ich dann mit Freunden in dem Italo-Western: Lasst uns töten, Companeros! Einer der Protagonisten hieß Pinguin. Seitdem heiße ich genauso, wir brachten meinen Vornamen Bernd-Dieter um die Ecke.“ Pinguin rules. So stellte er sich später auch Jazz-Musikern vor, die im Bielefelder Jazz-Club „Bunker“ gastierten. Der Bassist Siggi Busch lud ihn sogar zu sich für ein Trainingswochende nach Bremen ein. „Ich hatte wohl Talent. Mir war schon bald klar, dass ich Musik studieren wollte und schrieb mich dann für Kontrabass an der Hochschule in Aachen ein.“ Das Instrument habe ihn begeistert, nur dann hätte er in der Akademie bei einer Probe auf der Galerie gesessen. „Der Tubist spielte genau unter mir und ich saß über dem ganzen Mief, ich verstand die Tuba und was sie leisten kann im Ensemble. Es war um mich geschehen.“ Er wechselte dann kurze Zeit später das Hauptfach.

Die Tuba brachte Pinguin Moschner bereits im Ansatz Erfolge. „Als junger Student machte ich 1979 die ersten Plattenaufnahmen und spielte mit 23 bereits mit Musikern des Art Ensemble of Chicago. Ich war auch in unterschiedlichen Besetzungen beim Jazz-Festival in Moers zu Gast. Vor 4.000 Leuten Tuba spielen, das war Hammer.“ Improvisierte Musik war sein Ding und seine beruflichen Kreise wurde immer größer und internationaler. Hongkong, Paris, ja, auch Leipzig. Unter anderem kam Pinguin Moschner zugute, dass Jazz in der DDR unter dem Radar der Stasi flog. „Freejazz wurde fester Bestandteil der Gegenkultur und ich war mittendrin. Bis zur Wende war ich zwei- bis dreimal im Jahr auf Tournee im Osten. Und wir haben da drüben gelebt wie die Könige. Unsere Auftritte waren richtig gut bezahlt, aber es war eben DDR-Geld und musste vor Ort ausgegeben werden.“ Der Erfolg setzte sich auch in den 1990er-Jahren fort. 1992 war er Musiker des Jahres bei den Leverkusener Jazztage. Er war für fünf Konzerte im Spiegelsaal verantwortlich und stand mit fünf unterschiedlichen Besetzungen auf der Bühne. „Ich hatte aber den Eindruck, dass die Reihe eine Alibi-Veranstaltung war. Eigentlich wollten die damaligen Veranstalter wohl beweisen, dass improvisierte Musik kein Kassenschlager ist. Folglich machten sie in Zukunft einen Haken hinter das Thema Freejazz.“

Um Jahrtausendwende gab es dann in der Szene einen kommerziellen Knick und Pinguin M. wechselte in die Rolle des Hausmannes. Gleichzeitig machte er eine musikalische Entdeckung. „Old Time Jazz kann schon geil sein. Und nachgefragt ist er allemal.“ Heute spielt er in zwei solchen Formationen. Die große Liebe gehört jedoch der Improvisation. „Wenn ich Solokonzerte mit der Tuba gebe, dann ist das wie eine Meditation vor Publikum. Ich nehme die Menschen mit und weiß noch nicht, wohin die Reise geht. Bis auf ein paar rhythmische und melodische Anker spiele ich frei. Bis zu 40 Minuten am Stück.“ Woher nimmt der Musiker die ganzen Ideen und die Kraft? „Ich schließe die Augen und meine Tage fließen in meine Musik ein. Drinnen und Draußen vermischen sich.“ Der Freigeist Moschner hebt das Kölsch-Glas und schaut durch das Fenster des Waldhauses auf das Grün. „Ich liebe das Tor zum Bergischen Land. Und Opladen ist ein bisschen wie Porz, was die verlorenen Stadtrechte angeht, nur viel schöner. Ich bin aber eher der Flaneur, so richtig nehme ich am Stadtleben nicht teil. Aber ich bin auch sehr viel unterwegs.“

Wir bleiben an der Himmelspforte stehen und Pinguin Moschner erzählt von dem Projekt mit dem Gitarristen Joe Sachse. Sie nehmen sich wie bereits auf der CD aus dem Jahr 1996 einen der legendärsten Rockgitarristen vor: Jimi Hendrix und Freejazz, wie geht das zusammen? Tage später höre ich die Moschner-Sachse-Version. Das Gebläse sumst brummt melodeit, die Gitarre fräst sich einen eigenen Weg durch die Vorlage. Die beiden zerlegen „Hey Joe“ unbekümmert und schlafwandlerisch in seine Bestandteile und setzen diese mit hörbarer Lust am Unerhörten wieder zusammen. Für mich persönlich eine der spektakulärsten Hendrix-Adaptionen. „Hey Joe, where you goin‘ with that Tuba in your hand?“

Herzlichen Dank, Pinguin Moschner. Vielen Dank für Ihre Zeit.

Text & Foto © Hendrik Neubauer / Lust auf Leverkusen.

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