WIE GEHT´S, WIE STEHT´S?!
Ji In Cho steht im Spiegelsaal. Sie wollte sich unbedingt im Schloss und Museum Morsbroich treffen. „Dieser Ort bedeutet mir sehr viel. In diesem Saal habe ich als Notenwenderin gestanden. Hier im Wohnzimmer der Leverkusener Bürgerlichkeit habe ich gespürt, welche tiefen Gefühle Musik auslösen kann.“ Das Geigenspiel habe sie so zu Tränen gerührt, sodass sich der 1. Geiger, dem sie assistieren sollte, bei dem Anblick ihrer Sturzbäche verspielt habe. „Danach wusste ich, dass es keinen falschen Ton gibt, entscheidend ist der Ton danach. Im Saal bemerkte jedenfalls kein Mensch den kleinen Patzer.“ Da ist die in Schlebusch geborene Tochter aus gutem koreanischen Hause schon längst auf dem Weg zum klassischen Fach. Sie lernt Geige und Klavier zu spielen, was sie nicht nur zum Notenwenden befähigt, sondern auch zum späteren Musikstudium an der Hochschule in Köln. „Und was gehört noch zu einer guten koreanischen Erziehung? Selbstverständlich ging ich auch zum Ballett und Taekwando. Ich habe das alles mehr oder weniger folgsam mitgemacht. Aber ich habe auch schon früh gespürt, dass ich anders bin als die anderen.“ Wann das gewesen sei, dass kann sie so genau nicht mehr sagen. Worin äußerte sich denn in ihrer Jugend das Anderssein? „Ich war impulsiver und eigensinniger und vor allem unangepasster als sich das meine koreanischen Eltern gewünscht haben.“
So wird Ji In Cho dann auch Jahre später als Frontfrau der Metal-Band Krypteria auf Tournee in Korea von einer Radiomoderatorin nach dem offiziellen Interview zur Seite genommen. Ob sie denn mit einem Koreaner liiert sei? “Was für eine Frage. Ich hatte zu der Zeit einen deutschen Freund. Die Dame war ganz erleichtert, denn so extrovertiert wie ich mich aufführe, bekäme ich nie einen koreanischen Mann.” Sie, die sich kategorisch nie in Schubladen packen lassen will, fühlt sich mit dieser Aussage sehr wohl. Was ihr allerdings immer noch zu schaffen macht, war, dass sie sich in der Heimat ihrer Eltern nicht in der Landessprache verständigen konnte. “Meine Eltern haben zuhause immer nur deutsch mit mir gesprochen.” Als sie anfing an der Musikhochschule in Köln zu studieren, traf sie auf ganz viele asiatische und insbesondere koreanische Studierende. Das sei das erste Mal gewesen, dass sie ein Fremdheitsgefühl und fast so etwas wie Scham empfunden hätte. “Es war so, als hätte ich in meiner Kindheit etwas verpasst. Zweisprachig aufzuwachsen halte ich heutzutage für wichtig, wenn der Mensch noch einen zweiten kulturellen Hintergrund hat.”
Unser Gespräch geht dann auf Tour durch die Welt der Pop- und Rockmusik. Ihre Karriere als Musikerin, die in Europa und Übersee tourt, führt sie weg aus Leverkusen. Zunächst lebt sie in Köln. Sie schließt dort ihr klassisches Gesangstudium ab und probiert sich in der Szene musikalisch aus. “Es gibt eigentlich keine Spielart, die ich ausgelassen habe. Und wenn ich dann nach stundenlangem Jammen morgens um Drei im verrauchten Club eine heiße Milch mit Honig bestellt habe, dann hat mich die vom Kneipenleben gezeichnete Bedienung nur verstört angeschaut.” Ji In Cho trinkt seit jeher keinen Alkohol und isst kein Fleisch. Dass sie dann in die Metalszene geraten sei, in der im Allgemeinen Werte wie Nüchternheit und Gesundheit nicht so hoch im Kurs ständen, sei ganz einfach zu erklären. “Ich liebe diese Musik und das Headbanging. Es ist überhaupt eine Herzensangelegenheit für mich. Metal hat zwar schon prollige Untertöne. Aber bei vielen Metal-Heads verbirgt sich hinter der harten Schale oft ein weicher Kern. So durfte ich mit der Metal-Queen Doro Pesch arbeiten. Und, was soll ich sagen, sie ist die Liebste unter der Sonne.” Chos klare Stimme stellt aber auch keine Konkurrenz zu der Rockröhre Pesch. Für Krypteria sei sie dann auch von einem Produzenten wegen ihrer besonderen Stimmfarbe und ihrer klassischen Ausbildung gecastet worden. Die Band habe anfangs auf die Mischung von symphonischen Parts und Chorälen mit Metal gesetzt. Heute agiert die Gruppe mit gleicher Besetzung aber mit neuem Namen: “And then she came”.
Ji In Cho schüttelt ihre dunkle Mähne und lacht schallend. Wir sind mittlerweile auf Tour durch das Museum und die Musikerin hat im Gartenzimmer auf einer Schaukel Platz genommen. Vorher hat sich sie sich noch einen roten Rokoko-Rock umgebunden, der für die Gäste bereitliegt. Nun bringt sie sich mächtig in Schwung. “Es ist toll hier im Museum. Das hätte ich gar nicht vermutet. Dabei drehe ich im Schlosspark oft mit meinem Labrador eine Hunderunde.” Tja, es hat Ji In Cho doch nach Leverkusen zurückgeführt. “Mit der Geburt unserer Tochter sind mein Mann und ich nach Leverkusen gezogen. Meine Eltern leben immer noch hier und meine Mutter ist mir auch eine große Hilfe bei der Betreuung der Tochter. Denn ich gehe ja nach wie vor auch als Musikerin auf Tournee.”
Berufliches trennt Ji In Cho strikt von ihrem Privatleben. Leverkusen ist ihr Rückzugsort und da draußen in der Welt steht ihre Bühne. “Who would’ve thought that a girl like me, would double as a super star? You get the best of both worlds.” Warum nur fällt mir zunächst dieser Miley-Cyrus-Song ein, wenn ich Cho so ausgelassen auf der Schaukel sehe? Auf den zweiten Blick mischt sich aber Robert Palmer mit seiner erwachseneren Version ein: “…chill it out, take it slow, Then you rock out the show, You get the best of both worlds.” Für einen Moment wird das Museum zu Ji-In Chos Bühne. Und mich beseelt der Gedanke, dass diese außergewöhnliche Frau wohl das “Beste beider Welten” zu leben weiß.
Auf Wiedersehen, Ji In Cho. Herzlichen Dank für Ihre Zeit.
Text & Foto © Hendrik Neubauer / Lust auf Leverkusen.
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