Marius Roock

Marius Roock

WIE GEHT´S, WIE STEHT´S?!

Zitronenbäume vor azurblauem Himmel verströmen ihren Duft. Eine Vespa flitzt durch weichgezeichnete Hügellandschaften in Meeresnähe. Am Hafen findet sich ein Parkplatz für den Roller. Es duftet nach gegrillten Oktopussen und Pizzaöfen pusten ihren Rauch auf die Gassen rund um das Hafenbecken. Bella Italia. Ich spreche mit Marius Roock. Dessen Augen immer dann groß werden, wenn er von Italien und seinem liebsten Fortbewegungsmittel auf zwei Rädern schwärmt. Der Vespa.

Wir sitzen in einem Büro in Leverkusen-Küppersteg. Durch das Fenster schaue ich in eine Verkaufshalle, in der sich Zweirad an Zweirad reiht. Neben Vespas finden sich hier auch andere Roller der Marke Piaggio und auch Aprilia-Motorräder. Die Firma Roock verkauft aber nicht nur die neuesten Modelle. Die Roocks sind spezialisiert auf die Restauration alter Zweiräder, vor allem alter Vespas. „Es gibt immer noch Scheunen und Garagen in Europa, in denen eine Vespa vor sich hingammelt. Wir bekommen Exemplare aus ganz Europa. Wir sind die Adresse für schwierige Fälle und bauen die Fahrzeuge komplett neu auf. Je oller je doller.“ Aus der Werkstatt hinter dem Showroom dringen Hammerschläge zu uns vor. „Hier ist mein Lieblingsplatz, hier bin ich großgeworden und habe von klein auf mitgeholfen. Sie glauben gar nicht, wie lange ich Schrauben und Muttern sortiert habe, bis ich das erste Mal an einem Roller schrauben durfte.“

Marius Roock ist in einer motorsportbegeisterten Familie aufgewachsen. „Wir Roocks haben Benzin im Blut.“ Vater Roland arbeitete lange im Rennsport und hat an Rennstrecken wie den „24 Stunden von Le Mans“ in Service Teams gearbeitet. Bereits hier lief alles schon „en famiglia“ im Team mit seinen Brüdern. 2002 machte sich der Vater Roock mit einer Piaggio Vertretung in Leverkusen selbstständig. Es gäbe immer wieder Auf und Abs, aber seit langem schon floriere das Geschäft. Die Marke Vespa stehe für ein Lebensgefühl. Das kann ich nur bejahen. Ich selber bin kein Rollerfahrer, aber, wenn ich eine Vespa sehe, dann zaubert mir das ein Lächeln ins Gesicht.

Nach der Schule verging Roock Junior erst einmal das Lachen. Er wollte an seinem Lieblingsplatz, dem Familienbetrieb, in die Lehre gehen. Sein Vater hingegen verordnete ihm, seine Ausbildung auswärts zu absolvieren. So ging es in die Holzabteilung eines großen Baumarktes. „Nach der Lehre durfte ich in die Kleineisenabteilung wechseln, denn mit Schrauben und Muttern kenne ich mich aus.“ Marius Roock grinst. „Aber nach sechs Jahren bin wieder in das Vespanest zurückgekehrt. Und was anderen vielleicht ein Gräuel sein mag, auch meine Mutter und meine Schwester arbeiten hier. Wir sind ein richtiger Familienbetrieb“, bekennt Marius Roock und sieht dabei total zufrieden aus.

Gibt es denn einen Lieblingsort in Italien? „Ganz klar, Pontedera, dort haben wir mit der ganzen Familie und Hund mit dem Wohnmobil schon mehrmals Station gemacht.“ In dieser Stadt auf halber Strecke zwischen Livorno und Florenz lockt das Piaggio-Museum. In der Halle, in der einst die Vespas montiert wurden, befindet sich heute der Pilgerort für Vespa-Fans. Hier gibt es den ersten Prototypen zu begutachten. Hier wird nacherzählt, wie aus dem billigen Fortbewegungsmittel, das die ragazze und ragazzi nach dem Krieg mobilmachen sollte, ein Kultfahrzeug mit unglaublichen Sondermodellen geworden ist. Selbst Schwimm- und Flugmodelle sind hier zu sehen.

Der Vespa-Fan Roock pflegt neben seiner Leidenschaft für Oldtimer-Zweiräder noch einen anderen Tick. Liegt es vielleicht hieran? Enrico Piaggio baute Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem Flugzeuge. Flugzeugingenieure waren es auch, die die ersten Prototypen bauten. Marius Roock selber führt seine Leidenschaft, für alles was fliegt, allerdings auf seinen Großvater zurück. Der baute Modellflugzeuge und ließ diese mit seinem Enkel steigen. Wie dem auch sei. Fakt ist, der jugendliche Marius kaufte reparaturbedürftige Bonanza-Räder, schraubte an ihnen herum und polierte diese auf. Das Geschäft lief so gut, dass er sich eine havarierte Cessna zulegen konnte und diese nach Bürrig transportieren ließ, um sie im Garten der Familie zu platzieren. Ein selbstverdientes Flugzeug als Spielplatz und Rückzugswinkel und das mit noch nicht mal 12 Jahren. Rispetto, ragazzo! Das Ganze geschah selbstverständlich mit Vaters Hilfe und zum Entsetzen der Mutter.

Die Tür geht und Friederike Roock, die Seniorchefin, schaut hinein. „Der Grill ist angeheizt, möchten Sie etwas mittessen?“ Ich möchte. „Oh, dann zeige ich Ihnen draußen auf dem Hof gleich noch meine neueste Errungenschaft“, fügt der Junior hinzu. Vorher geht es auf einen Abstecher in die Werkstatt. Auf dem Weg dorthin kommen wir an einer nagelneuen E-Vespa vorbei. Marius Roock schaut mich an. „Ich steh nun mal auf Oldtimer und durch meine Adern fließt Benzin. Aber dieser E-Roller hier fährt gut und hat auch eine enorme Reichweite. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Batterien auf lange Sicht die Lösung sind, ich schwöre eher auf Wasserstoff als alternativen Kraftstoff. Aber bis sich das bei uns in der Zweirad-Branche durchgesetzt hat, das wird noch dauern.“  Die Druckluft röhrt, wir versammeln uns um eine frisch restaurierte Vespa. „Die kam hier in allen Einzelteilen an. Genauso wie die MV Augusta, die da vorne steht.“ Dabei handelt es sich um eine italienische Rennsportmaschine, die hier in der Werkstatt komplett wiederaufgebaut wurde. Der Kunde bestand darauf, dass nur Originalteile verwendet wurden. Das hieß für Marius Roock, dass er Ersatzteilen bis nach New York hinterhertelefoniert hat. Einsatz und Erreichbarkeit, das ist überhaupt kein Thema für die Roocks. Die Mobiltelefone klingeln selbst sonn- und feiertags. „Auch im Urlaub haben wir unsere Telefone auf Empfang. Wenn dann allerdings Kunden an einem Sonntagmorgen um halb acht anrufen, um nach unseren Öffnungszeiten zu fragen, dann hört der Spaß auf.“ Marius Roock lächelt nichtsdestotrotz und schüttelt ein wenig den Kopf.

Es ist faszinierend, Menschen zuzuhören, die für ihren Job brennen. Menschen, die ihren Job mit Ernsthaftigkeit und Liebe ausüben und dabei auch nicht vor Aktionen zurückschrecken, die andere zunächst erst einmal bekloppt finden mögen. Wir stehen jetzt auf dem Hof, auf dem Grill brutzeln Bratwürste. Und jetzt sehe ich es selber. Mein Blick fällt auf einen ziemlich lädierten Helicopter. „Nachdem ich meinen Eltern eröffnet habe, dass ich unbedingt einen Hubschrauber kaufen wollte, musste ich erst einmal die Cessna aus dem Garten verkaufen. Das war der Deal. Allerdings haben die beiden wohl nicht gedacht, dass ich so schnell ein solches Exemplar herbeischaffen werde.“ Wenn der Hubschrauber instandgesetzt ist, soll er als Blickfang an der Straße Kunden locken. Ich schmunzel. „Lassen Sie mich mal machen. Vielleicht platziere ich ja auch eine Vespa auf dem Dach. Wetten, Enrico Piaggio schaut aus dem Vespa-Himmel zu und feiert mich dafür.“

Wir beißen in die Bratwurst.  Mezzogiorno im Piaggio Center in Küppersteg. Langsam versammelt sich Familie Roock in der Mittagssonne um den Grill auf dem Hof. Auf der Adolf-Kaschny-Straße braust ein Auto vorbei, durch das Autofenster schallt „I was made for loving you“ von Kiss zu uns herüber. „Ich stehe auf so einen alten Kram.“ Marius Roock beginnt zwischen zwei Bissen zu pfeifen.

Soweit wäre dann einiges geklärt. Es wird Zeit zu gehen. Fai sempre buon viaggio! Ciao ciao!

Herzlichen Dank, Marius Roock. Vielen Dank für Ihre Zeit.

Text & Foto © Hendrik Neubauer / Lust auf Leverkusen.

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